Franziska Bauer für #kkl56 „Selbstermächtigung“
Armer Tropf?
Mit seinem Ausspruch panta rhei
lehrt uns schon Heraklith, dass alles fließt.
In diesem steten Fließen sind wir alle
wie Tropfen nur im Strom der Zeit.
Kann denn inmitten dieses Flusses,
ein Tropfen, einzeln, Wirkmacht haben?
Die Antwort lautet: Ja, er kann!
Als Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Als steter Tropfen, dem’s gelingt, den Stein zu höhlen.
Als Tropfen, der die Wüstenpflanze tränkt und rettet.
Als Tropfen einer heilenden Arznei,
bei der bereits ein zweiter töten würde.
Als Wermutstropfen, der die heile Welt entlarvt,
und uns Verbess‘rung suchen lässt.
Als guter Tropfen, der uns stärkt und tröstet,
wenn es an Kraft uns mangelt,
den Kampf des Lebens weiter zu bestreiten.
Gemeinsam mit der Fülle and‘rer Tropfen
formst du als einzelne(r) den Strom der Zeit
und bist sein wesentlicher Teil.
Drum sei nicht mutlos, ströme, fließe!
Mach dir bewusst: Du bist nicht schwach.
Als Teil des Ganzen und mit all den andern Tropfen
vermagst du, selbst den heißen Stein zu höhlen.
Publiziert in:
Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, XXIV. Gedichtwettbewerb 2021; ISBN 978-3-930048-85-4,
Umfang: 464 Seiten, € 66, Ausstattung: Halbleinenband mit Goldprägung, Kapitalband, Lesezeichen.
Darin: Franziska Bauer, Armer Tropf
Franziska Bauer
https://www.galeriestudio38.at/Franziska-Bauer
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