Bernd Watzka für #kkll57 „Selbstermächtigung“
Post-anthropozentrische
Pflanzengedichte
Die wilde Rose
Ich bin eine wilde Rose,
steh einladend auf der Heide.
Bin bei Gott keine Mimose,
sondern eine Augenweide.
Lass mich bestäuben tagaus, tagein.
Am liebsten treib ich es mit Bienen;
aber auch Hummeln bitt’ ich herein,
auf dass sie lustvoll sich bedienen.
Ganz wund ist schon mein Stempel,
und es schmerzt vor Lust die Narbe
vom promiskuitiven Gerempel;
dunkelrot ist meine Farbe.
Ich schür das Feuer eurer Triebe –
also merkt’s euch, seid nicht perplex:
Die Rose, die steht nicht für Liebe,
sondern für hemmungslosen Sex!
Rhododendren
Wir sind Rhododendren,
uns gibt’s auf der ganzen Welt.
An Küsten und auf Gipfeln
wachsen wir wie bestellt.
Wir duften nicht wie Rosen,
uns fehlt der Tulpen Pracht,
doch sind wir nette Blumen;
wir blühen Tag und Nacht.
Wir haben nur ein Manko
– das ist natürlich schad –,
unser Rhododendron-Leben
ist unbeschreiblich fad.
Gundelrebe vs. Rose
Ich bin die Gundelrebe
und wohn hier im Gärtelein.
Bin froh, dass ich noch lebe,
bin mutterseelenallein.
Ihr Primaten mögt mich nicht,
ihr wollt mich ständig jäten;
sucht mich, bis die Nacht anbricht,
in allen Blumenbeeten.
Vor Angst wird meine Blüte blass.
Was bitte hab ich euch getan?
Warum gilt mir der Gärtner Hass?
Das ist paranoider Wahn.
Lasst mich doch in Ruhe hier
aufs irdische Ende warten.
Nehmt andre Pflanzen ins Visier –
schaut euch um in eurem Garten:
Es gibt hier florale Protzer,
jeder Gast will sie liebkosen.
Es sind wuchernde Schmarotzer!
Man nennt dieses Unkraut: Rosen.
Aufstand der Primeln
(nach Rilke)
„Nimmer will ich höher streben,
denn ich lieb mein schlichtes Kleid.
Glaub, das höchste Glück im Leben
liegt in der Zufriedenheit.“
So ließ mich Rilke sprechen.
Was klein ist, soll klein bleiben.
Das ist doch zum Erbrechen,
uns sowas rein zu reiben!
Wie kann Mensch sich erfrechen,
uns Demut anzudichten!
Dafür soll der Rilke blechen;
unser Gott wird ihn einst richten.
Wir Primeln müssen es wagen,
uns endlich zu erheben.
Lasst uns laut im Chore sagen:
Immer wollen wir höher streben!
Die Thuja oder Wie man es in ein Gedicht geschafft
Ich bin eine Garten-Thuja.
Steh da, tagein, tagaus.
Bin bei vielen unbeliebt.
Ich bin für Menschen giftig,
mein Saft reizt eure Haut,
verursacht starkes Jucken.
Der Umwelt bring ich nichts.
Bin als Nistplatz ungeeignet,
und ich neig zu Trockenschäden.
Ich bin keine Hiesige;
bin als Exot einst zug’reist
aus dem fernen Amerika.
Gibt’s auch was Positives? Klar!
Nur dank der vielen Nachteile
halt ich Einzug in dies Gedicht.

Bernd Watzka
lebt in Wien als Lyriker, Dramatiker und Journalist. Studium Germanistik, Mag.phil.
Termine, Fotos u. Videos: facebook.com/bernd.watzka
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