Maximilian Fischer für #kkl57 „Selbstermächtigung“
Selbstermächtigung
Ich war gefangen in einem Lebenslauf, der schief lief
In einem aufgezwungenen Krieg mit ihnen, mit mir
Ich kämpfte in Schlachten zu groß für einen Heranwachsenden
War hilflos und einsam in einer düstren Welt
Ich wurde auf Wege gezwängt, die nicht die meinen waren
Mir wurde eine Daseinsform aufgedrängt, die mich zutiefst verletzte
Das war alles nicht mein
Aber zum Widerstand blieb mir Kleinem keine Kraft
Ohnmächtig musste ich mitansehen, wie geliebte Menschen hassen
Meine Hilferufe ungehört, das Umfeld blind
Ich wurde in eine Zwangsjacke gesteckt
Eingesperrt in einer Zelle aus Fleisch und Blut, die mich zu zerquetschen drohte
Alles schien vergebens, die Lage hoffnungslos
Ich war in einer Sackgasse, der einzige Ausweg der Notausgang
Dort stehend, die Klinge griffbereit
Besann ich mich eines Traums
Ich visionierte von einem Leben frei von vorgegebenen Wegen
Von Wiederentdeckung der Neugier, der Lust auf Neues
In diesem Moment, da entschied ich mich fürs Leben, für eine Entdeckungsreise
Nicht länger wollte ich asphaltierten Straßen folgen, sondern meine eigenen Pfade trampeln
Mich losreißen von vergangenen Traumata, der Zukunft eine Chance geben
Ohne Angst einschlafen, durch Träume wandern und dem kommenden Tag mit einem Lächeln entgegnen
Und heute wandre ich über unberührte Felder, suche mir meine eigenen Wege
Bin ein Mann, kein hilfloses Kind mehr
In einem Alltag frei von Hass, Gewalt und Angst
Menschen, die mir einst wehtaten, habe ich aus meinem Umfeld verbannt
Hin und wieder spielt die Klinge noch eine Rolle in meinem Leben, aber ich sehe sie als alten Bekannten, der vorbeischaut und nicht länger als täglichen Lebensretter
Ich trage meine Narben nicht mit Scham, sie sind Wegbeschreibung zu mir
Du kannst sie nur lesen, wenn du weißt, wie man Schmerz schreibt
Doch heute schreibe ich
Nur noch selten mit Blut
Nicht mehr aus Angst
Sondern mit der Stimme, die man mir nehmen wollte
Ich habe die Kontrolle über mein Dasein zurückgewonnen
Ich lächel nicht für sie, ich lächel, weil ich überlebt habe
Ich gehöre niemandem, nicht einmal dem alten Bild von mir selbst
Ich bestimme, ob ich nach rechts oder links gehe
Bin nicht hier, um Erwartungen zu erfüllen, sondern, um Raum zu füllen
Mit meinem eigenen Atem, meiner Stimme, meiner Wahrheit
Lasse den Blick in die Ferne schweifen, statt Tunnelblick
Entdecke die große Freiheit um mich herum
Heute bin ich neu
Heute bin ich meine eigene Antwort
Nicht perfekt
Nicht fertig
Aber frei
Und bin freudig gespannt, was die Zukunft mir noch zu bieten hat
Selbstermächtigung ist kein Schrei
Sie ist ein stilles Nicken, ein „Ja“ zu mir
Trotz allem, wegen allem
Und wenn ich wanke, bin ich nicht schwach
Ich bin lebendig, ich bin wach
Ich bin mein eigener Anfang

Mein Name ist Maximilian Fischer, ich bin 35 Jahre alt und wohne in Kassel.
Aufgrund traumatischer Erlebnisse in Kindheit und Jugend leide ich an mehreren psychischen Erkrankungen, die immer wieder Grund für Psychiatrieaufenthalte sind.
Da es mir sehr schwer fällt, über meine Erlebnisse zu sprechen, versuche ich meine Gefühle in Bildern und Texten zu verarbeiten. Meine Kreativität ist ein gutes Ventil dafür.
Texte und Bilder von mir wurden bereits in mehreren Anthologien veröffentlicht.
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