Daniel Mylow für #kkl57 „Selbstermächtigung“
es gibt orte
es gibt orte
die wir noch
nicht erreicht haben
obwohl wir längst
dorthin gehören
antwortet es in metronomischer textur
aus dem raumlosen dunkel
deines robotergesichts fernöstlich koloriert
per app die wochenendstimme
melancholisch määndernd
in retroide soundfarben gehüllt:
mutter freundin geliebte
dabei hast du mehr vergessen
als wir je lernen werden
das sage ich nicht das
denke ich nur denke ich nur
denke ich nur leuchtet es neonlichtkühl
aus den adersträngen
deiner silbergrauen züge
richtig: du weißt auch
was ich denke:
einfache korrespondenzanalyse
zwischen
bild & ton auch ohne ton
und körpersaftaustausch
spüre ich deine synapsen
vielwinklig quellendes gewebe
wie ein flüchtiges gas
still & schwarz & kalt pulsierend
in mir glosendes kondensat
weißwimprigen arktischen lichts
echolaut
zwischen gedanke & gedanke &
mahlgeräuschen: rollstuhlreifen
auf sandstrandkies sounddesign
der gehandicapten auf verbotenem grund
bin ich schneller
als deine synapsen wenn du
meine mimik nicht siehst
kannst du meine gedanken
nicht lesen
deine stimmschleifen driften
zu vernebeltem retroschnarren:
wie kann ich ihnen helfen
gibt es etwas bestimmtes
über das sie sprechen möchten
wenn sie fragen haben
stehe ich ihnen gerne zur verfügung
wie kann ich ihnen weiterhelfen
weißt du weiß das regierungsprogramm
dass du schnarrst
wie ein nicht endenwollender
volkstrauertag in der luft
zum meer hin
ein gläsernes sirren
es gibt orte
zum ertrinken schön
es gibt orte
da darfst du so wurdest du
bevor du uns programmieren konntest
programmiert niemals hin
wie kann ich ihnen helfen
echoen deine lautsprecher
in den leuchtenden staub
des meeres fast bin ich da
ich torso von fleisch & blut
in schimmernde luftspiegelungen
aus fels & meer & himmel
zusammengefügter menschensplitter
wer bin ich ich ich was
mache ich hier hier
hier fragt wer:
die synaptische plastizität
(das neuronale netzwerk meines gehirns)
meiner ki antwortet:
die kombination von synthetischer plastizität
und genretypischer mustererkennung von texten
führte um das jahr 2028
zur automatischen generierung
von poesie
die auswahl erfolgt
nach eingabe der korrekten prompts
sowie shopify prinzip
das label made by humans
erlosch um 2030
für weitere antworten bitte:
„was euch zu menschen macht“
„antworten einer künstlichen intelligenz
auf die großen fragen des lebens“
www. scientific- economics.com
insofern ist die frage wer bin ich
was mache ich hier obsolet
wie kann ich ihnen weiterhelfen-
meine arme zittern
zischendes rollstuhlboard zerfetzte kabeladern
ich bin allein bin ich
allein ins vergessen
getaucht atme rolle atme ich
gegen anbrandenden seewind
über einem leiser werdenden
& wieder anwachsenden hauchen
mein atem der schatten eines vogels
ausgestreckt über den horizont
rhomben mondstreifenlichts schillern
wie fetzen abgerissener seide
auf den wellen atme rolle
gehe ich stäube weißlich zerflockte gischt
gegen himmel & meer
echolaut
weißwimprigen arktischen lichts
ich bin es niemand anderer
der weiß
es gibt orte
wir haben sie noch nicht
erreicht obwohl wir längst
dorthin gehören:
zeile um zeile glaub mir noch
an den ufern
einer zerbrechenden welt
in unendliche räume getaucht
ich sagen dürfen sehen
was vorher unsichtbar war
das ist zum ertrinken schön
alles ist dort antwort ein windzug
der widerhall des meeres
eine geäderte bucht
aus wolken ein leises lächeln
wie ein puzzle
aus millionen teilen etwas ist
das nie war nie
sein wird
am ende alles ist
was wir haben
Daniel Mylow
Biobibliographie: 1964 geb. in Stuttgart, Aufenthalte in Düsseldorf, Hannover, Berlin, Krefeld. Studium in Bonn und Marburg. Ausbildung in Kassel. Oberstufenlehrer in Hof und Wernstein, Marburg, Mainz, seit 2018 in Überlingen/Bodensee. Poesiepädagoge und Dozent für Literatur.
Letzte Publikation: Rotes Moor (Poetischer Thriller), Cocon Verlag Hanau 2017. Greisenkind (Roman) net Verlag Chemnitz 2020. Wenn du mir folgst…(Poetischer Thriller), EinBuch Literaturverlag Leipzig 2022. 2025 erscheint Das Weiß zerrissenen Papiers in der Edition Hibana.
Zahlreiche Publikationen von Lyrik und Kurzprosa in Anthologien und Literaturzeitschriften. Diverse Auszeichnungen, zuletzt 2022 Lore Perls Literaturpreis und Bonner Literaturpreis. 2023 Bad Godesberger Literaturpreis, Kempener Literaturpreis 2017, Preis der Sparkassenstiftung Groß Gerau 2017, Merck-Stipendiat der Stadt Darmstadt 2018
Titel der eingereichten Geschichte: In einem anderen Land (KURZPROSA)
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