Christian Schwetz für #kkl57 „Selbstermächtigung“
(K)ein Sommer wie damals (Prost, Jo)
Im 2001er Jahr waren die Hundstage unser Sommergetränk. Ein Schuss Hollersaft, dann halbvoll mit Samos und das ganze aufgespritzt mit Almdudler. Schaut aus wie Hundepisse, hat schon im 2000er Jahr so ausgeschaut und der Jo hat behauptet es schmeckt auch so. Weil niemand von uns den Test gewagt hat, ob Hundepisse wirklich schmeckt, wie die Hundstage, wollen wir ihm mal glauben.
Im Jahr 2002 haben wir uns mit Kalksburgspritzern begnügt, weil der Jo gerade versucht hat, vom Alkohol weg zu kommen. Unser Rezept dafür wäre ja gewesen, ein Viertel Leitungswasser mit Soda auf einen halben Liter aufzuspritzen. Aber der Jo hat darauf bestanden, dass es ein Achterl Brünnerstraßler sein muss, der mit einem Viertelliter Radenska Mineralwasser aufgespritzt wird. Wir haben zwar gemeint, dass ein Achterl Brünnerstraßler schon zu viel Alk ist, wenn wer vom Alk wegkommen will, aber weil es ja dem Jo sein Entzug war, haben wir mitgespielt. Floridsdorfer- Slowenische Freundschaft hätten wir ja den besseren Namen gefunden, aber der Jo hat auf die Bezeichnung Kalksburgspritzer bestanden. Und es ist natürlich nie bei einem Kalksburgspritzer geblieben, und nicht bei zwei, und nicht bei drei.
2003 haben wir Fava gesoffen. Das haben wir zwar vorher nur als eine Art griechischen Humus gekannt, oder so ein Bastard aus Humus und Kartoffelpüree, aber der Jo hat das Rezept gebracht: Sehr dünnflüssiges Kartoffelpüree, das halb mit der Milch von Ziegen aus Chalkidike aufgegossen wird, halb mit bulgarischem Vodka. Wir haben zwar schon damals geglaubt, dass man jede Art von Milch dafür nehmen könnte, sogar Mandel- oder Sojamilch, und auch russischen, finnischen oder sogar steirischen Vodka dazugießen könnte, weil grauslicher kann es eh nicht werden, aber der Jo….
2004 war Von Scheibbs bis Nebraska an der Reihe. Bevor wir Von Scheibbs bis Nebraska getrunken haben, haben wir gar nicht gewusst, dass im Waldviertel überhaupt Whiskey gebraut wird. Aber weil zwischen Scheibbs und Nebraska noch ein Dezi deutscher Korn und ein Dezi holländischer Whiskey und ein Dezi Schottischer Whiskey und ein Dezi Neufundländer Whiskey und am Schluss ein Dezi Nebraska-Whiskey in den Pot kommen, hat man nicht mehr gemerkt, wie der Waldviertler Whiskey so für sich allein schmeckt. Weil wieder niemand von uns den Gegentest machen wollte, haben wir dem Jo geglaubt, dass der deutsche Korn die grauslichste Einzelzutat war, knapp vor dem holländischen Whiskey. Wir haben dem Jo sogar geglaubt, dass er sich Von Scheibbs bis Nebraska nicht selbst ausgedacht, sondern dass es dieses Gesöff wirklich gibt.
2005 war dann Das Haus am See an der Reihe. Der Jo hat behauptet, das Rezept hätte er direkt von Peter Fox bekommen. Wir haben zwar im Spaß immer behauptet, dass die Idee, kosovarischen Billig-Raki mit tunesischem Hustensaft zu mischen, eher nach Dr. House klingt, als nach Peter Fox, aber getrunken haben wir Das Haus am See trotzdem den ganzen Sommer. Und zumindest Lupus hat keiner von uns bekommen. Aber wir wissen ja, Lupus gibt es ebenso wenig, wie es Bielefeld gibt.
Im 2006er Jahr haben wir immer Sonnwendfeier zusammen getrunken. Wir mögen ja weder Enzian noch Latschenbrand, aber die Mischung war, wie jede Mischung in den Vorjahren, noch schlimmer als die einzelnen Bestandteile. Und wenn wir so getan haben, als würden wir keinen Schluck Sonnwendfeier mehr runterbringen, dann hat der Jo den Rest ausgetrunken und hat sich ausgezogen und ist den Berg rauf und runter gelaufen, egal ob da ein Berg in der Nähe war oder nicht.
2007 war dann Vorauer Schwaig dran. Obwohl man Vorauer Schwaig ja mit AI schreibt, so wie Amnesty International – was wohl kein Zufall ist -, oder wie Artificial Intelligence – was weniger passt, weil von Intelligenz kann man bei Vorauer Schwaig beim besten Willen nicht reden, also mit AI und nicht mit EI, haben wir dem Jo trotzdem versprechen müssen, über die Inhaltsstoffe zu schweigen (mit ei) – und daran halten wir uns immer noch.
2008 haben wir den ganzen Sommer Pinkawossa mit dem Jo getrunken. Er wollte uns zwar einreden, dass das von Pinkeln kommt, aber diesmal konnten wir uns gegen ihn durchsetzen und er hat eingesehen, dass das Pinkeln mit der Hundepisse der Hundstage von 2001 abgehandelt war. Im Vergleich mit den Vorjahren war der mit Bier gestreckte Uhudler sogar relativ trinkbar. Wir haben dem Jo vorgeschlagen, dass das eigentlich nicht Pinkawossa, sondern Punkerwasser heißen müsste. Aber der Jo hat gesagt, der Uhudler sei wichtiger als das Bier, also Pinka und nicht Punker.
2009 war dann die Sommerfrische dran. Weil uns allen schon ganz schlecht war, nur vom Anblick und vom Geruch, haben wir den Jo nicht gefragt, was da reinkommt. Wir haben aber brav den ganzen Sommer mit ihm Sommerfrische getrunken.
Im 2010er Jahr haben wir Kali Nichta getrunken. Na Gute Nacht. Neben Ouzo und Metaxa war da noch chinesischer Tomatensaft drin und ein Schuss Lycheeschnaps. Der Jo hat erklärt, dass früher mal die Innereien von stuffed tomatoes in den Kali Nichta gekommen seien, also das, was aus den Tomaten raus muss, damit man sie stopfen kann wie ungarische Gänse, aber seit die meisten Tomaten in China produziert werden, sei man auf chinesischen Tomatensaft umgestiegen. Warum dann ein Schuss Lychee-Schnaps dazu muss, haben wir den Jo nicht gefragt, weil wir eh schon wussten, dass es sicher was mit China zu tun gehabt hat.
Dann haben wir den Jo jahrelange nicht gesehen.
Als wir gehört haben, dass der Jo heuer gestorben ist, haben wir uns getroffen, um in Gedenken für, bzw. in Gedanken an Jo, einen Sommer wie damals zu verbringen.
Mit Hundstagen und Kalskburgspritzern und Fava und Von Scheibbs bis Nebraska und Haus am See und Vorauer Schwaig und Pinkawossa und Sommerfrische und Kali Nichta.
Prost, Jo.

Christian Schwetz, geb. 30.12.1962, lebt und arbeitet in Wien.
Seit den 1980er Jahren ist er literarisch aktiv. Als Fazit seiner Diplomarbeit „Die wirtschaftliche Lage der Schriftsteller in Österreich“ beschloss er, das Schreiben nicht zum Hauptberuf zu machen und wurde Steuerberater.
Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied von „DAS SPRECH-Initiative für Sprach-, Sprech- und Hörkunst“.
Mit der Band „Novi Sad“ besteht seit den 1990er-Jahren eine künstlerische Zusammenarbeit.
Veröffentlichungen
2010 „Zwischen Brot und Spiel“; Kurzgeschichten; Testudoverlag
2011: „Traanbecks Ausnahmezustand“; Roman; Arovell-Verlag
2014: „Mails & Love“; Roman; Arovell-Verlag
2016: „Am Anfang war das A“; Textsammlung; Edition Libica
2021: „Wunderschönes Tier“; Textsammlung; Edition Libica
sowie in diversen Anthologien und Zeitschriften.
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