Ulrich Kaufmann für #kkl58 „Ethik“
Papperlapapp ( Hendrik 6 )
Was das alles zu bedeuten hat, wenn das alles so passiert?
Was hat´s zu bedeuten?
Hendrik weiß es immer noch nicht. Die Begegnung mit dem Teufel, ein Typ, der sich Gottvater nennt, Wilson, der große Zampano und gestern die Aktion im Löffelstiel. Unglaublich. Aber wahr.
Lisa ist passiert. Ein Segen für sein Leben.
Er sitzt auf dem Balkon. Hat frei. Lisa ist arbeiten. Es regnet. Kühle Luft. Der Hochsommer macht eine Pause. Hendrik denkt an Texel. War oft mit seinen Eltern dort. Da hat es meistens geregnet. Einmal war er noch mal alleine dort. Vor ein paar Jahren. Auch Regen.
Er mag den Regen. Hat was Erfrischendes. Er sitzt auf dem Stuhl, auf dem er immer sitzt. Im anderen sitzt Lisa, wenn sie zu Hause ist. Und auf den Balkon möchte. Sie ist fast immer, wenn sie frei hat, bei Ihm. Bald ständig. Sie planen in nächster Zeit eine gemeinsame Wohnung zu mieten.
Er könnte die Zeitung lesen. Im Regen. Herrlich. Ist ja überdacht. Der Balkon. Er holt die Zeitung aus dem Wohnzimmer. Hat sie abonniert. Die Allgemeine. Würde er sie sich jetzt kaufen gehen, wenn er kein Abo hätte? Wohl eher nicht. Nicht bei dem Regen.
Seite 1. Bundesregierung präsentiert Vorschläge für eine Rentenreform. Ach, schon wieder. Das tut sie immer. Seit gefühlt 110 Jahren. Und ändert sich was. Nein. Auch wie immer. Er blättert weiter. Seite 3. – Anschlag auf das “Löffelstiel-.
Da war doch was. Stimmt. Sie waren da. Lisa, Wilson und er. Er liest.
-Gestern gegen 19.00 Uhr ist auf das Restaurant “Löffelstiel“ auf der Augustastrasse ein Anschlag verübt worden.-
Ein Anschlag? So kann man es auch nennen. Ihre Aktion.
-Laut Zeugenaussagen stürmten drei maskierte Personen, eine Frau und zwei Männer-
Gut aufgepasst, Leute.
-das Restaurant und versprühten eine Flüssigkeit, die nach Zitrone roch.-
Johanniskraut und Wasser. Nicht mehr und nicht weniger.
-Über die Zusammensetzung der Flüssigkeit und dem eventuellen Grad der Toxizität ist noch nichts bekannt.-
Schreibt doch Giftigkeit. Das verstehen die Leute besser. Und nein, ist nicht giftig.
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-Die ungefähr 15 Gäste haben das Lokal rechtzeitig verlassen können. Verletzt wurde niemand. Hr.T., der Pächter des Lokals, ist seitdem untergetaucht und konnte nicht zu dem Vorfall befragt werden.-
Und so weiter. Und so weiter. Die Polizei bittet alle, die etwas gesehen haben oder zur Sache aussagen können, sich zu melden und eine Aussage zu machen. Das “Löffelstiel“ bleibt bis auf weiteres geschlossen.
Cool, denkt sich Hendrik. In der Zeitung stand ich noch nie. Auch wenn´s anonym ist.
Es klopft an der Haustür. Klingel kaputt? In letzter Zeit klopfen oft Leute an der Haustür. Aber die Klingel kann nicht kaputt sein. Vorhin schellte der Paketbote. Und Lisa hat inzwischen einen Schlüssel. Hendrik öffnet die Tür.
„Sie schon wieder?“ Der Mann mit den langen, hinten zusammengebundenen Haaren und dem kurzrasierten Vollbart, der letztens schon mal ganz kurz da war, steht in der Tür. Sehr souverän, gut gemacht, die Aktion eben mit dem Teufel, hat er gesagt. Dann war er auch schon wieder verschwunden.
„Darf ich reinkommen?“
„Wer sind sie wirklich? Gottvater?“ So hat er sich beim ersten Mal vorgestellt. „Das kann ja jeder behaupten.“ Gottvater. Pah. Wer´s glaubt, wird selig. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Er bräuchte gar nicht zu klopfen, sagt der Besucher. Eigentlich lehne er es ab, mit irgendwelchen Zaubertricks seine Identität zu untermauern. Aber dieses Mal macht er eine Ausnahme.
„Schließen Sie die Tür.“ Hendrik schaut ihn fragend an. „Machen Sie schon.“ Hendrik schließt die Tür. Das andere bleibt draußen stehen.
„Und jetzt drehen Sie sich um.“ Die Stimme des Mannes ist ganz nah. Der steht nicht mehr draußen. Kann doch nicht sein. Die Tür war doch zu. Hendrik dreht sich um. Es kann sein. Ist sogar so. Gottvater steht mitten in der Diele. Knapp hinter Hendrik. Wie von Geisterhand. Geht ins Wohnzimmer. Und setzt sich unaufgefordert auf die Couch. Da, wo Wilson auch immer gesessen hat.
Hendrik folgt ihm wie in Trance. Schaut ihn ungläubig an. „Okay, das hat was. Magic in the house.“ Findet aber sofort die Contenance wieder.
„Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee, Limo, Wasser, ein Bier?“
„Ein Kaffee wäre nicht schlecht. Trinke auch gerne mal ein Glas Wein. Bordeaux am liebsten.“
„Hab ich leider nicht im Haus.“
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„Lisa trinkt auch gerne Wein. Allerdings weißen.“
„Woher wissen Sie das?“
Der Gast schaut Hendrik überlegen an. „Weil ich Gottvater bin?“
„Ach stimmt. Der weiß alles. Sagte Wilson, der große Zampano.“ Scheinbar hatte er recht.
Er holt zwei Tassen mit Kaffee aus der Küche. Milch und Zucker. Hendrik nimmt beides. Sein Gast nur Zucker. Zwei Löffel. Er setzt sich Gottvater gegenüber.
Der leger gekleidete alte Mann, dieses Mal hat er eine schwarze Jeans an, beim ersten Besuch eine blaue, rührt ruhig seinen Kaffee um. Schaut Hendrik freundlich an.
„Ich wollte Sie mal besuchen. Da Sie jetzt quasi zum Team gehören. Und Ihnen sagen, dass Sie es nicht übertreiben sollten.“
„Wieso übertreiben? War doch ne coole Sache.“
„Finden Sie keinen Spaß an solchen Dingen. Sie sind Mittel zum Zweck. Und nichts anderes.“
Hendrik möchte etwas entgegnen. Da dreht sich ein Schlüssel im Schloss. Lisa kommt nach Hause. Etwas früher als sonst. Überstunden abbauen.
Hallo Liebling. Hallo Schatz. Schön, dass Du schon da bist. Ach, wir haben Besuch? Guten Tag. Wie bitte? Gottvater? Klar. Und Putin kriegt den Friedensnobelpreis.
Wir gehören jetzt zum Team. Zu welchem Team? Zu seinem Team. Aha.
Lisa ist mit den Gedanken woanders. Wirkt betroffen. Nachdenklich. Hendrik bringt ihr einen Kaffee.
„Was ist los, mein Schatz?“ Hendrik spürt sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Lisa legt sofort los. Lucy, eine Kollegin aus der Abteilung B1, eine gute Freundin von ihr, war gestern Abend mit ihrem Mann essen. Im Löffelstiel. Es sei sehr schön und lecker gewesen, bis drei vermummte Gestalten das Lokal stürmten und irgend ein Zeug versprühten. Es roch wohl ziemlich penetrant. So ein bisschen wie Zitrone. Sie hatte Angst. Fing an zu schreien. Ihr Mann hat sie dann gepackt, ist mit ihr raus und nach Hause gefahren. Sie konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ist dann heute Morgen total übermüdet später zur Arbeit gekommen. Hat vorher noch eine Aussage bei der Polizei gemacht. Freiwillig. Lisa erzählte wie ein Wasserfall. Schweigt dann.
Hendrik sieht nach draußen. Es regnet. Er denkt an Texel.
Gottvater durchbricht die Stille. „Und nun.“
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„was nun?“ Hendrik, aus seinen Gedanken gerissen, schaut den Alten entgeistert an.
„Wie gehen Sie damit um? Mit dem Leid der Leute. Lisa scheint ein Problem damit zu haben.“
„Ich weiß nicht, ob es richtig war, was wir da gemacht haben“, sagt Lisa zum Boden blickend.
„Es ist eine Frage der Moral.“ Gottvater doziert. „Die ethische Komponente. Ist es vertretbar vor meinem Gewissen, vielen Menschen geschadet und Angst eingejagt zu haben, nur um einer Person eine nachvollziehbare und gerechte Strafe zukommen zu lassen?“
Die Frage steht im Raum. Hendrik ergreift das Wort.
„Moral. Ethik. Papperlapapp.“ Papperlapapp? Was für ein komisches Wort, denkt sich Lisa. Hab ich ja noch nie von ihm gehört. „Ein Abenteuer halt. Dem Teufel mal richtig eins ausgewischt. Müsste Ihnen doch auch recht sein.“ Hendrik ereifert sich.
Er schaut Gottvater an. Dann Lisa. Möchtest Du was dazu sagen? Fragt er sie wortlos. Lisa schaut Hendrik an. Sie sagt nichts dazu. Kommt da noch was von ihm? Nein. Nichts. Beide schauen Gottvater an.
„Es ist noch nicht vorbei“, sagt der alte Mann. „Überlegt Euch, was ihr dann tut. Wilson wird sich bei Euch melden.“ Er sieht sich im Zimmer um. Schaut nach draußen.
Hendrik blickt auch nach draußen. Es regnet immer noch. Dunkle Wolken. Er denkt wieder an Texel.
„Und die Moral von der Geschicht´…“ Jetzt wird der auch noch zum Märchenerzähler. Hendrik lächelt in Erwartung, was nun kommt. „Es werde Licht.“
Das Licht geht an. Die Stehlampe in der Ecke. Von alleine. Magic in the house. Der Raum ist heller. Angenehm hell.
Hendrik fällt die Bibel ein. Da war doch was mit es werde Licht. Ganz am Anfang irgendwo.
„Wie hat er denn das gemacht?“, fragt Lisa erstaunt.
„Ist halt Gottvater. Der weiß alles. Der kann alles.“ Und er denkt an Texel. Da hat´s fast immer geregnet. Es war oft dunkel. Auch tagsüber. Aber das Licht ist niemals von alleine angegangen.
Da erst fällt beiden auf, dass der Platz, auf dem Gottvater gesessen hat, leer ist. Er ist verschwunden. Einfach so. Durch die Tür? Das hätten sie mitbekommen. Wie dann?
„Ein Wunder.“ Hendrik schaut Lisa überrascht an.
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„Papperlapapp.“ Lisa lächelt Hendrik an. Er lächelt zurück. Sie nehmen sich in den Arm.
Teil 1 , Teil 2 , Teil 3 , Teil 4 , Teil 5 der Geschichte
Mein Name ist Ulrich Kaufmann. Am 14.03.1965 habe ich in Neuss das Licht der Welt erblickt. Ich bin ausgebildeter Erzieher, habe jedoch nie als solcher gearbeitet, sondern war nach meiner zweiten Ausbildung als Krankenpfleger tätig. Dem gehe ich auch aktuell noch nach.
Aus meiner ersten Ehe habe ich drei inzwischen erwachsene Söhne. Seit 2018 bin ich das zweite Mal verheiratet.
Seit 2016 lebe ich in Brandenburg an der Havel. Bis dahin war mein Wohn-und Lebensmittelpunkt der linke Niederrhein. Aufgewachsen bin ich in Düsseldorf.
Das Schreiben war schon immer eine große Leidenschaft von mir. Außerdem mache ich Musik, spiele Gitarre. Und bin auch sonst sehr Kunst- und Kulturinteressiert.
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Ein Kommentar zu “Papperlapapp”