Eduard G. Schlaffer für #kkl58 „Ethik“
Zwei Zungen
Ich spreche mit zwei Zungen,
eine kennt die Welt,
die andre kennt mich.
Die erste schmeichelt,
legt Honig auf die Wunde,
nennt Lüge „Takt“
und Schweigen „Frieden“.
Die zweite flüstert nachts,
wo Spiegel atmen
und Schatten zuhören.
Sie brennt,
aber sie heilt nicht.
Ich lächle mit der einen,
ich beiße mit der andern,
und zwischen beiden
verglühen meine Worte
wie Motten im Licht.
Manchmal treffe ich mich selbst
im Rauch meiner Sätze –
verblasst,
doch wahr.
Dann weiß ich:
Auch Wahrheit hat zwei Zungen,
eine, die sagt,
und eine, die schweigt.
Eduard G. Schlaffer, geboren 1948, lebt abwechselnd in der Stadt (Wien) und am Land und beschäftigt sich mit Friedens- und Glücksforschung. Als pensionierter Lehrer und Schulleiter betätigt er sich auch als Mediator, Musiker und Imker und engagiert sich für gemeinwohlorientierte Projekte. Neben Prosa und Lyrik schreibt er Theaterstücke und Essays zu gesellschaftlichen und philosophischen Themen.
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