Cleo A. Wiertz für #kkl59 „Ich denke, also bin ich“
Dienstschluss der Psychologin
Ich geh im Dunkeln
durch den Winterwald nach Haus.
Kalt ists, und Schnee knirscht.
Erste Sterne glühn
am Himmel. Ich bin müde
der müden alten Menschen,
die nur noch klagen
um zu klagen, nicht, damit
es anders werde,
die nur noch seufzen,
nie mehr schrein vor Schmerz und Wut,
die sich begnügen
mit dem faden Trost
von Volksmusik und Fernsehn
und mit Schlafmitteln,
die nicht mehr wirken.
All dies lass ich hinter mir,
jetzt, da ich heim geh.
Dort, in meinem Haus,
warten die beiden Katzen.
Schnurrend werden sie
mich gleich empfangen,
verlangend nach Liebkosung
und Leckerbissen.
Heut abend gibt’s Fisch
für mich und meine Katzen,
dazu ein Glas Wein
oder zwei, und dann Musik
zum Träumen. Sie schnurren schon,
die beiden, und ich
finde, der Tag war
gar nicht so schlecht, trotz allem :
Eine der Alten
sagte « Jetzt reicht es »
und schmiss ihre Pillen weg.
Erfolgserlebnis !
Vielleicht schaff ich’s ja,
einen Aufstand zu schüren
gegen das Elend,
die Resignation
der Zukurzgekommenen.
Kriegt doch den Arsch hoch !
möchte ich rufen,
empört Euch doch wenigstens,
hört auf zu seufzen.
Warum schreit Ihr nicht,
so dass es alle hören –
vor allem Ihr selbst.
Seid wie die Katzen,
schnurrt, wenn ihr zufrieden seid,
und wenn nicht, so kratzt !
Ein paar Backpfeifen
fürs sogenannte Schicksal
wär’n gar nicht so schlecht.
Zwar habt Ihr kein Recht
darauf, glücklich zu werden,
aber verboten
ist es ja auch nicht !
Wenns meine Katzen können –
warum nicht auch Ihr ?
Programm für morgen,
all das. Jetzt bin ich zuhaus,
spiel mit den Katzen,
bin glücklich, auch ich.
Cleo A. Wiertz
Jhg.1954. Diplom-Psychologin. Als Schriftstellerin und Bildende Künstlerin aktiv seit 1970. Diverse Ausstellungen von Bildern, Werkstücken und Fotografien. Publikation von Fachtexten, populärwissenschaftlichen Darstellungen, Essays, Kurzgeschichten, Gedichten. Lebt mit ihrem Mann im Elsass und im Hérault.
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