René Oberholzer für #kkl59 „Ich denke, also bin ich“
Damals wie heute
Ich dachte damals
Und nicht nur damals
An dich nur dich
Und der Gedanke
An dich war gross
War schön und warm
Und der Gedanke
An dich blühte
Wild wie der Frühling
Und der Frühling
Kam und blieb
Bis in den Sommer
Und er blieb
Bis in den Herbst
Bis in den Winter
Und ich dachte heute
Und nicht nur heute
An dich nur dich
Und der Winter
Trug Farben
Getränkt in Liebe
Und der Winter
Lachte verlegen
Über beide Ohren
Und ich lachte
Von ganz innen
Nach ganz aussen
Und mein Gedanke
An dich nur dich
Verlor seine Unschuld
Märchenwelt
Du bist meine Prinzessin
Sagte er ihr immer wieder
Baute Luftschlösser
Und sprach von Liebe
Und dachte immer wieder
Du wirst nie meine Königin sein
Die Strafe
Der Baum der Erkenntnis
Ist vom Meer überflutet
Und weggespült worden
Adam und Eva haben überlebt
Und spielen seither den Fischen
Die Vertreibung aus dem Paradies
Immer wieder vor
Die Fische bleiben stumm
Und denken nach jeder Aufführung
Was für eine schlechte Inszenierung
Die Rückgewinnung
Wenn der Schlaf dich noch nicht holt
Halt inne und denk dich durch die Nacht
Find den Moment im vergangenen Tag
Der dich an früher erinnert
Als die Welt noch grün und farbig
Oder einfach in Ordnung war
Wenn der Schlaf dich noch nicht holt
Gewinn die Vergangenheit zurück
Die Andere
Zwischen Wil und Bütschwil verliebte er sich in eine Frau. Zwischen Bütschwil und Wattwil in eine zweite. War er mit der ersten zusammen, dachte er immer an die zweite, war er mit der zweiten zusammen, dachte er immer an die erste. Eines Morgens fragte ihn die erste Frau: „Woran denkst du gerade?“ „Ich denke an eine andere Frau.“ „Und wann denkst du denn einmal an mich?“ „Wenn ich bei der anderen Frau bin.“ „Dann geh jetzt“, sagte die erste Frau, „und komm erst am Abend wieder zurück.“ Für den Rest des Tages freute sie sich, dass der Mann so lange an sie dachte.
René Oberholzer
Lebt und arbeitet seit 1987 als Oberstufenlehrer, Autor und Performer in Wil/Schweiz.
Schreibt seit 1986 Lyrik, seit 1991 auch Prosa.
War Mitbegründer der literarischen Experimentiergruppe „Die Wortpumpe“ (mit Aglaja Veteranyi) und der Autorengruppe Ohrenhöhe, ist Mitbegründer der „Tischkante 16“, Mitglied verschiedener Schriftstellerverbände. Erhielt 2001 den Anerkennungspreis der Stadt Wil für sein literarisches Schaffen und 2022 den 23. Nahbellpreis des G&GN-Instituts in Düsseldorf für das lyrische Gesamtwerk.
Publikationen:
„Wenn sein Herz nicht mehr geht, dann repariert man es und gibt es den Kühen weiter“ (39 schwarze Geschichten) (2000), Verlag Im Waldgut in Frauenfeld.
„Ich drehe den Hals um – Genickstarre“ (92 Gedichte) (2002), Nimrod-Literaturverlag in Zürich.
„Die Liebe wurde an einem Dienstag erfunden“ (120 Geschichten) (2006), Nimrod-Literaturverlag in Zürich.
„Kein Grund zur Beunruhigung“ (236 Gedichte) (2015), Driesch Verlag in Drösing.
„Sehnsucht. Mit Weitblick“ (80 Gedichte) (2020), Klaus Isele Editor in Eggingen
„Das letzte Stück vom Himmel“ (80 Gedichte) (2021), Klaus Isele Editor in Eggingen
„Analphabeten der Liebe“ (80 Gedichte) (2023), Klaus Isele Editor in Eggingen
„Ebbe und Flut / Gelgit“ (80 Gedichte Deutsch/Türkisch) (2025), Ürün Yayinlari in Ankara
Gedichte und Kurzgeschichten in Anthologien, Zeitungen, Literaturzeitschriften und Online-Portalen im gesamten deutschsprachigen Raum (über 3000 Einzeltexte). Einzelne Texte sind auch ausserhalb des deutschsprachigen Raums übersetzt und veröffentlicht worden.
e-mail: rene.oberholzer@bluewin.ch
Literaturport: https://www.literaturport.de/lexikon/rene-oberholzer/
wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ren%C3%A9_Oberholzer
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