Friedenskultur  

Monika Schlößer für #kkl40 „Friedenskultur“




Friedenskultur 

„Der Frieden ist eine kleine, zarte Blume, auf die wir ganz besonders achtgeben müssen, damit sie im Schatten der Großen und Prächtigen nicht zertrampelt wird.“ Beinahe mantrahaft wiederholte Birte jeden Abend diesen Satz, wenn sie das Buch mit den Gute-Nacht-Geschichten beiseitelegte und ihren Kindern eine friedliche Nacht wünschte. Ihr Mann Pascal, der meist im Nebenzimmer saß, bekam von dem abendlichen Zeremoniell kaum etwas mit.

Eines Montags nun kam Henry, ein pausbäckiger Steppke, mit blutiger Lippe, die roten Haare zerzaust und das neue Shirt eingerissen, zu Hause an.ahAAH

Vater Pascal blickte widerwillig von seiner Arbeit auf: „Wie siehst du denn aus? Hast du dich etwa geprügelt?“

„Der Kevin mich.“

„Weshalb?“

„Ich hatte ’ne Eins in Mathe.“

„Und sowas lässt du dir gefallen? Ich glaub’s nicht!“ Ein auffälliges Rot machte sich auf Pascals Gesicht breit. „Hast du wenigstens deinen großen Bruder zu Hilfe gerufen?“

„Kevin hat auch einen großen Bruder. Dann hätten wir uns schon zu viert gekloppt. Und dann wären noch ein paar von unseren Chaoten dazugekommen. Das hätte es eine große Keilerei gegeben. Wie einst bei Bolle zu Pfingsten.“

„Hä? Who the fuck is … “

„Pascal, es reicht!“ Birte und die neunjährige Katrin hatten unbemerkt Vaters Arbeitszimmer betreten. „Man kann Streitigkeiten übrigens auch mit Worten bereinigen.“

„Pff! Du glaubst wohl noch ans Christkind!“

„Wenn man es beizeiten lernt, müsste es klappen, dass sich eine Ausauseinandersetzung nicht zwangsläufig zu einem Monstrum aufbläht.“

Pascal wand seiner Familie den Rücken zu. „Dürfte ich jetzt bitte endlich in Ruhe weiter Hefte korrigieren?“, nörgelte er.

„Papa, das ist wie bei einem kleinen, popeligen Luftballon“, plapperte Katrin munter weiter. „Wenn man ihn ganz, ganz doll aufgepustet hat, gibt es plötzlich einen Riesenknall, und der schöne Ballon platzt.“

„Genau!“, trumpfte Henry auf. „Und wenn sich ein paar Leute prügeln, fühlen andere sich auch stark und mengen mit. Sieht man doch ständig im Fernsehen. Plötzlich ist im ganzen Fußballstadion Randale, es werden Bengalos geworfen …“

„Und auf den Straßen geht die Eskalation weiter“, pflichtete Birte ihrem Sohn bei. „Brennende Autos, zerstörte Polizei- und Rettungswagen. Eine Gewaltspirale ohne Ende. Schau dir doch unseren Globus an – Frieden nirgendwo.“

„Ich habe es ja kapiert!“, polterte Pascal los. „Deshalb bitte ich euch in aller Form, unsere Grundsatzdiskussion zum Thema Frieden auf heute Abend zu vertagen.“

„Einverstanden,“ nickte Birthe. „Geht doch! Und das mit dem Bolle erklären wir dir morgen.“





Monika Schlößer

Geboren 1949, lebt mit ihrem Mann in Bad Münstereifel, 2 Töchter und 3 Enkel. Mittlerweile über 100 Veröffentlichungen von Lyrik, Kurzkrimis und Kurzprosa, in Anthologien, Kunst-Kalendern, Jahrbüchern, (Literatur)-Zeitschriften, Schaufenstern, auf einer Lyriksäule und bei online-Magazinen wie kunstkulturliteratur.com






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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