Gleich war nur der Tod

Christiane Schwarze für #kkl30 „Macht & Ohnmacht“




Gleich war nur der Tod

Freiheit kaserniert von einer Hülle. Außen zeigten keulenförmige Strukturen, was jene zu erwarten hatten, die das Innen ohne erlaubten Grund verließen.
Frische Luft atmen, schlendern oder auf grünem Gras sitzen, war DAVOR jederzeit gestattet gewesen.
Nicht, dass dies überall reale Optionen gewesen wären.
Hätte hier ein Finger auf den Globus getippt, hätte seine Spitze hart auf Beton treffen können; in Städten landen, deren Smog Augen tränen und Lungen brennen ließ.
Aber wären Grün und reine Luft da gewesen und hätten die Tagelöhner nicht von früh bis spät arbeiten müssen, dann hätten sie spazieren, durchatmen und sich im Schatten von Bäumen erholen dürfen.

DANACH wurden Menschen eingesperrt, waren jedoch nicht alle auf dieselbe Weise gefangen.
Die einen in Blech- und Bretterhütten, die anderen in Villen mit Sonnenterrassen und Blick aufs Meer.
Und die Klage der Wohlhabenden war lauter, schließlich hatten sie Zugang zu Megaphonen. Umso mehr Dezibel, umso mehr Unterstützung.
Für Reiche Millionen und Milliarden, für Arme ein paar Rupien, Pesos, Real oder Dollars.
Gleich war nur der Tod. – Wenn auch ungleich verteilt.
Reiche, auf Landsitzen verbarrikadiert, wähnten sich sicher.
Die Armen in den Slums mussten den Maschinenpistolen von Polizei und Militär gehorchen; wer in Enge und Dreck an Hunger, schmutzigem Wasser oder irgendwelchen Krankheiten starb, war egal; solche Tote wurden nicht gezählt.

Aber hier zeigten Finger lieber nicht auf den Globus, sondern auf das Dreibuchstabenwort ICH.
Wer war das, ohne Relation von DU?
Ein Gesicht auf dem Skype-Bildschirm, eine Stimme am Telefon?
Sieg des Rechtsstaats: ICH durfte plötzlich doch allein auf der Parkbank sitzen und lesen. Aber weiterhin nicht auf einer Wiese essen! Erlaubte die Regierung das bald?
Vielleicht hatte ein Gericht das Verbot sogar bereits aufgehoben? Wann durften endlich wieder Kranke besucht und Tote am Grab verabschiedet werden?
Alle paar Tage änderte sich etwas, wer sollte noch genau wissen, was gerade galt?

Das frühere Leben hier wie dort zurückgegeben.
Die Mächtigen betonen, dass es Fehler gab, sie aber keine Verantwortung dafür tragen. – Erwarteten, dass wir alle die Zeit der Ohnmacht schnell vergessen.





Christiane Schwarze
Geb. 1960 / lebt in Homberg (Ohm) / ehem. Logopädin in eigener Praxis, jetzt freie Schriftstellerin / Mitglied im VS / zahlreiche Literaturpreise / internationale Künstlerstipendien (Deutschland, Frankreich, Schweden, Schweiz, Spanien, Norwegen ) / zahlreiche Lesungen im In- und Ausland / sieben Bücher, davon drei zusätzlich in Brailleschrift und zwei als Hörbuchversionen für Blinde / fünf musikalisch-literarisch inszenierte Hörbücher (mit ihrem Duo TonSatz) / über 300 Einzelveröffentlichungen in Literaturzeitschriften, Anthologien und Kunstprojekten (Deutschland, Österreich, Schweiz, Dänemark, Spanien / www.christiane-schwarze.de






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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