Bio-Hacking

Achim Koch für #kkl33 „Vollendung“




Bio-Hacking

Köln

Hallo Leute! Schön, dass Ihr wieder dabei seid!

Also Ihr seht es ja vielleicht. Ich sitze hier auf den Treppen vor dem Domplatz. Im Hintergrund Westfassade. Es ist drei Uhr nachts. Ja, und hier ist nichts los. Das ist ja auch gut so. Genau. Der normale Betrieb geht hier in einer Stunde los. Müllleute und so. Und dann kommen auch die ersten Anlieferer, ganz selten mal ein Polizeiwagen. Es ist echt leer. Nur da hinten bei den Bäumen habe ich vorhin jemanden schlafen gesehen. Aber sonst ist hier kein Mensch. Soweit alles klar.

Warum also dieser Ort und diese Zeit, fragt Ihr euch. Normalerweise treffen wir uns ja anderswo, und wenn Ihr meine Folgen so erinnert, dann hab ich auch viele draußen aufgenommen. Eisbaden oder im Schnee im Volkspark. Die Top-Hacks, wie Ihr wisst. Und besonders viele von Euch sind mir ja auch gefolgt, als ich vor einigen Wochen im Rhein unter einem fahrenden Binnenschiff durchgetaucht bin. War ein bisschen gefährlich. Das gebe ich zu. Und noch einmal: Bitte, nicht nachmachen. Da haben mich ja auch einige von Euch mit nem kleinen Shitstorm belegt. Fand ich aber echt okay.

„Geht irgendwie gar nicht“, hat einer geschrieben.

Und ich so: „Klar, war nicht cool. Hätte natürlich klarmachen müssen, dass ich das nur bei Schiffen mache, die rheinaufwärts fahren. Also nicht so schnell.“

Er so: „Muss man ja vor der Schiffsschraube durchkommen.“

Na ja, kann sich ja auch jeder denken. Und klar ist auch, dass man bei einem solchen Selbstexperiment ein kräftiger und ein guter Schwimmer sein muss. Also noch einmal. Macht das nicht nach. Das war mein Ding, und ich wollte Euch nur zeigen, was mein Körper leisten kann nach all dem Training. So, nun ist aber erst mal gut damit.

Andere Sachen habt Ihr ja immer gelikt. Viel davon hab ich drinnen gemacht. Alle Ernährungstipps natürlich. Die Proteinrezepte. Auch den Flow durch Rotlichtentspannung oder durch Lichtblitze, wenn Ihr Euch erinnert. Kann man aber alles noch mal ansehen. Auch das morgentliche Ölziehen und natürlich alle Mindset-Beiträge. Viele von Euch werden sich erinnern. Und nicht zuletzt das Krafttraining.

Ach, das wollte ich noch sagen: Die meisten Likes in der letzten Zeit habe ich für meinen Beitrag zum B-12-Selbsttest aber vor allem zu Flow-Drugs bekommen oder genauer zu dem Produkt Cannatine Blue, das Mittel, das ja Mitochondrien enthält, wodurch Eure Nahrung erst in die richtige Energie umgesetzt wird. Na, und man bekommt davon eine blaue Zunge. Ein Erkennungszeichen aller ernsthaften Bio-Hacker. Hier, ich zeig Euch mal wieder meine Zunge.

Es gibt also echt viele Möglichkeiten, Energie hervorzubringen und gesund zu bleiben. Denn, wie ich ja immer sage, Gesundheit ist sexy, kommt aber nicht von selbst. Da muss man Körper und Geist ordentlich entschlüsseln und, ja, und auch mal ins Unerforschte vordringen. Aber jeder ist da auf einem anderen Level. Ist ja auch klar. Mancher pumpt seit Monaten, und nichts ändert sich. Da ist auch Genetik im Spiel. Aber nicht aufgeben, Leute. Ich sah auch nicht immer so aus wie jetzt, und Ihr kennt ja mein Mantra: Training und Routine. Und das andere: Entspannung bis zur Tetrawelle oder bis zum richtigen Flow. Es muss auch immer Spaß bringen.

Zum Flow noch ein Ding, weil viele Follower das immer wieder wissen wollen, und das ist ja auch wichtig. Ihr kennt bestimmt alle den Spruch mit der Gesundheit und dem Geist. Es geht also auch um den Kopf und nicht nur um den Muskelaufbau. Ist ja klar. Flow könnt Ihr Euch wie einen langsamen Durchfluss in Eurem Kopf vorstellen. Dabei entsteht maximale Entspannung, aber auch Reinheit oder besser Klarheit in Euch. Ja, so ne Art Glücksgefühl. Ihr kennt das auch vom Sex. Also wenn Ihr Erfahrungen mit Sex habt natürlich. Man hat das Gefühl, dass alles super läuft. So ne Art Höhenflug Und warum? Weil Ihr Euch dem hingebt. Zum Beispiel in der Meditation. Manche haben das sogar bei der Arbeit. Und weil Ihr auf diese Weise bestimmte Hormone in Eurem Körper freisetzt. Endorphin, Dopamin, Serotonin und so’n Zeug. Der ganze geile Scheiß. Auch beim Sport kommen die raus. Man kann danach schon mal richtig süchtig werden.

So, Leute genug mit der Theorie. Warum sitze ich hier nachts um drei auf dem Domplatz, fragen sich viele von Euch schon einige Zeit. Und das alles bei, sagen wir mal, Augenblick, ich schau mal auf meinen Xiaomi-Tracker, ja, bei vier Grad. Barfuß. Mit meiner GoPro. Die ist übrigens absolut stoßfest. Da kann ein Panzer rüberrollen. Warum sitz ich hier mit dem Xiaomi,  einer Icebreaker-Sporthose und Fingerlingen an. bergzeit Klettersteighandschuhe.

Warum also? Dazu erst mal zwei Neins. Nein, es ist kein weiteres Kältetraining. Jedenfalls nicht hauptsächlich. Obwohl ich da noch mal sagen muss: Kälte ist gut und stärkt das Immunsystem. Und Ihr bekommt auch nicht durch Kälte, sondern durch Viren und Bakterien eine Erkältung. Nun noch das zweite Nein: Ich schwimme nicht schon wieder im Rhein.

Und jetzt nehme ich mal die Kamera und zeige damit nach oben. Sagen wir einfach mal, wie’s ist. Ich will da rauf. Ich will auf den Dom. Und zwar so wie Ihr mich hier seht. Echt schon immer ein Lebenstraum von mir. Und um das gleich klarzustellen. Das ist nicht erlaubt. Also schreibt mir nicht wieder massenhaft. Es ist nicht erlaubt. Verboten! Verboten! Verboten! Macht es nicht nach. Ich riskiere hier auch eine Anzeige, wenn zufällig die Polizei vorbeikommt und mich sieht. Es ist illegal, Hausfriedensbruch. Und hoffentlich keine Sachbeschädigung. Allerdings hat die Polizei das vor ein paar Jahren auch schon mal gemacht. Ne Übung von den SEK-Jungs.. Aber mit Leitern und super abgeseilt. Und auch vor ein paar Jahren waren zwei Rooftopper aus Russland hier und sind da rauf. Aber sonst passiert das selten. Also, es stehen ja fast immer Gerüste am Dom. Da klettern schon mal welche rauf. Aber was ich hier mache ist einzigartig. Barfuß und ohne Seile. Der echte Kick. Und jede Menge Endorphin, Dopamin, Serotonin und so’n Zeug.

Tja, worauf warten wir noch? Es wird Zeit. Ich nehme den rechten Turm, denn der soll ein paar Zentimeter höher sein. Bis zur Spitze der Kreuzblume da oben sind es 157 Meter und ein paar Zentimeter. Ist das nicht geil? Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird. Bei Sonnenaufgang will ich oben sein. Genau. Aber jetzt kommt noch eine kleine Spezialität. Nur für Euch. Ich hab noch eine zweite Kamera. Hier unten steht die Replik der Kreuzblume wie von der Spitze da oben. Groß und schwer. Da klebe ich noch eine Kamera mit Mastix dran und richte sie aus. So! Fertig. Nachtsicht. Eine Denver-Wildtierkamera WCT 8020. Ein richtig gutes Teil. Damit nehme ich den gesamten Turm bis zur Spitze auf. Ihr könnt mich also auch die ganze Zeit von unten sehen. Also mehr so’n Service für Euch.

Gleich geht’s los. Ich habe mich natürlich informiert. Leute, man soll so eine Aktion niemals machen, ohne alle Infos eingeholt zu haben. Das rechte Portal des Doms heißt Peters Portal. Da sind die Apostel abgebildet. Auch Petrus.  Ihr wisst schon. Der Fischer. Petri heil. Darum wahrscheinlich Peter. Direkt über dem Eingangstor ist er zu sehen. Er wird leider gerade von Nero geköpft.

Und darüber kann man Simon erkennen. Der war so etwas wie ein Konkurrent gegen Jesus, ein echt irrer Typ und ein Magier, der in der Luft schweben konnte. Muss man sich mal vorstellen. Der konnte sozusagen fliegen. Wie immer er es auch gemacht hat. Die Apostel beten da auf den Reliefs zu Gott, damit Simon abstürzt. Eine echt fiese Geschichte, finde ich. Damit sollte der Sieg der Christen über andere Religionen abgefeiert werden. Und Simon war eben kein Christ. Und deswegen musste er weg. Alles verstanden?

Gut, dann ist jetzt Schluss mit den alten Geschichten. Noch ein bisschen Kletter-Chalk von bergzeit auf die Finger und die Füße, damit sie trocken bleiben. Das ist Magnesiumkarbonat. Ich setz mir jetzt gleich mit dem Stirnband die GoPro auf, damit Ihr genau sehen könnt, wohin meine Hände greifen. Doch eine letzte Sache. Rechts hinter dem Dom-Forum sind Polizeikameras montiert, die den gesamten Platz abdecken. Ich muss also von hier aus dreißig, vierzig Meter auf den Dom zu rennen und möglichst schnell Höhe erreichen, damit mich keiner mehr hindern kann, den Turm zu besteigen.

Und noch einmal: Es ist verboten! Ihr dürft es mir auf keinen Fall nachmachen! Da ist das Wort Influencer mal gar nicht angebracht!

Noch mal kurz die blaue Zunge zeigen, und es geht los. Der Aufstieg vom Boden ist der schwerste. Es gibt hier keinen guten Halt für die Füße. Aber Ihr seht, es hat geklappt. Von der Steinbank davor springe ich an die Wand und steige höher. Leider muss ich jetzt mal hier an der Ecke auf den Kopf eines der Apostel treten. Aber gleich bin ich bei Petrus und Simon. Ihr seht von unten, dass ich jetzt schon an den ersten Ziergiebeln bin. Bis jetzt ging alles gut, und es war leichter, als ich dachte. Wenn jetzt die Bullen kommen, kriegen sie mich auch nicht mehr runter. Aber ich hör immer noch kein Lalü-Lala.

Ich kletter jetzt an den Wasserspeiern vorbei zu den zwei großen Fenstern rüber. Vielleicht könnt Ihr das sehen. Dir haben so Gitter, an denen Maschendraht befestigt ist gegen Tauben. Über die Gitter kann ich Höhe machen, allerdings wird das an den Zehen und Fußsohlen wehtun. Da muss ich schnell durch und die Zähne zusammenbeißen. Jetzt zu neuen Ziergiebeln rüber. Das ist nicht leicht. Aber geschafft. Noch ein paar Meter, und ich bin auf der Höhe der Glocken. Ist das geil! Ich sollte schon gut fünfzig Meter erreicht haben. Ich glaube, die Bullen waren vor den Monitoren eingeschlafen. Keiner hat mich bemerkt. Weiter geht’s. Über mir noch ein vergittertes Fenster. Das tut noch mal weh. Und gleich kommt die kleine Aussichtsplattform. Siebzig Meter. Da gehen die Besucher gemütlich auf ner Wendeltreppe rauf. Und ich komm von außen! Leute, ich bin jetzt schon voll mit all diesen Hormonen. Und ich liege gut in der Zeit. Hätte ich gar nicht so eingeschätzt. Noch ein bisschen höher zur großen Aussichtsplattform. Gleich kommt der Turmhelm. Wahrscheinlich der einfachste Teil. Aber ich müsste jetzt bei hundert Metern sein und brauch mal ne kurze Pause. Ich kletter jetzt über die Balustrade. So!  Und da bin ich auch schon auf der Plattform. Bis hier kommen die Besucher.

Leute, was für ein Ausblick schon von hier! Und von wegen Kältetherapie. Mir ist sowas von warm. Es ist sogar viel besser, dass ich kaum etwas anhabe, denn so komme ich nicht ins Schwitzen. Und Schweiß am Körper kann für so eine Aktion gefährlich sein. Und noch was anderes: Nichts ist kaputt gegangen. Könnte ja sein bei so einem alten Gebäude, dass irgendwas abbricht, wenn ich draufsteh und dann unten auf die Domplatte knallt. Aber nichts. Alles hält. Mal ein Kompliment von meiner Seite an die, die das hier gebaut haben. Und an die die, die das erhalten. Ihr macht echt nen guten Job!

So, genug gelabert. Jetzt mach ich mich auf den Weg zum Turmhelm. Ihr seht ja von unten gegen das Licht so Zacken am Turm. Die nutze ich so’n bisschen wie ne Leiter. Sind aber viel weiter auseinander, als man von unten denkt. Aber der Vorteil ist hier, dass ich nicht mehr steil ansteigen und dass ich weniger Kraft aufwenden muss. Und jetzt kann ich auch zur anderen Seite rübersehen. Langsam bekomme ich ne Ahnung, wie es da oben auf der Spitze sein muss.

So, Leute, jetzt ist über mir nur noch die Kreuzblume, deren Nachbau Ihr ja schon unten gesehen habt. Und wenn Ihr Euch daran erinnert, ist es gar nicht so einfach auf die Spitze zu kommen. Die nachgebildeten Blätter sind nämlich in zwei Lagen nach unten gebogen und eigentlich kommt man da nur rauf, wenn man sich ranhängt, hochzieht und irgendwie die Beine nach oben bekommt. Das ist ne ziemlich heiße Nummer hier auf fast hundertfünfzig Metern. Ich hol noch mal kurz Luft und hoffe, dass Ihr mich durch die Denver-Kamera unten gut sehen könnt. Jetzt mal einen Augenblick Ruhe.

Geschafft. Der Wahnsinn. Leute, ich sitze auf der Spitze des Kölner Doms auf der Kreuzblume! Seht Ihr mich? Ich hoffe. Wartet, ich steh mal auf und breite die Arme aus. Jetzt solltet Ihr mich sehen. Es wird ja auch schon heller. Echt, da hinter Bergisch Gladbach geht die Sonne auf. Wir haben heute eine klare Sicht. Ich kann nach Norden bis Düsseldorf sehen und nach Süden bis Bonn. Und über ganz Köln. Der KölnTriangel-Turm in Deutz liegt sogar unter mir. Da soll Sanne Sorgen ja wohnen. Weiß aber keiner so genau.

Es ist unbeschreiblich. Ich meine das Gefühl hier oben. Total geil! Freunde, Ihr wisst, ich kann über alles Mögliche labern. Aber hier fehlen mir mal echt die passenden Worte. Es ist wie im Rausch. Vollrausch! Einfach überwältigend. Der Weg hier rauf sowieso und dass ich es geschafft habe. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich hier oben auf der Kreuzblume sitze. Das ist wie im Traum. Einfach nicht wahr! Ich möchte, wie soll ich sagen, hier nie, nie mehr weg. Ihr habt ja schon viele verrückte Sachen gesehen, die ich gemacht habe. Aber das hier kann ich in meinem Leben überhaupt nicht mehr toppen. Unmöglich! Das ist, als wäre ich ein Vogel, ne Gans oder so, die durch alle Dimensionen fliegen kann und sich dann hier oben hinsetzt und auf alles runterguckt. Alles da unten ist so klein, und alles hier oben ist so groß. Es ist so, als könnte ich alles, versteht Ihr. Alles! Als wäre die Welt grenzenlos. Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass dies hier der Höhepunkt meines Lebens ist. Der Flow beim Aufstieg war schon extrem. Aber hier oben spüre ich in meinen Körper, wie nie zuvor. Leute, mein Körper ist überschwemmt mit Endorphin, Dopamin, Serotonin und so’n Zeug. Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl, dass einfach nichts mehr geht. Genau. Was sollte es auch noch sein? Extremer wäre vielleicht noch zu fliegen, die Arme auszubreiten und von hier oben mit dem leichten Aufwind von unten wegzuschweben. Mehr Hormone könnte ich gar nicht mehr mobilisieren. Nur das Wegfliegen wäre noch einer drauf. Direkt auf Euch zu. Auf die Kamera da unten. Das wäre noch mehr. Das allergrößte Ding überhaupt. Was soll’s, Freunde. Ich versuch‘s einfach. Ich muss nur eine Super-Absprung finden und dann immer auf euch, auf das Objektiv der Kamera zuhalten.




Achim Koch, arbeitete in der Bildung, im Theater und in der Entwicklungshilfe, auf dem Balkan und zuletzt im Kongo, in Kamerun und im Tschad. Vor allem ist er aber Schriftsteller und bildender Künstler, mit fließendem Übergang.

In seinen Romanen behandelt er gesellschaftspolitische Themen: AN WILLEM, DAS NEUE MANIFEST, g.r.a.s., FLUCHTLAND, DER AUGENBLICK, DER MANN HINTER DEM BILD.

Sein neuer Roman TÄUSCHLAND erscheint im Herbst 2023 bei Schruf&Stipetic.

Achim Koch schreibt darüber hinaus Kurzgeschichten und auch Transfergeschichten, die während der Romane entstehen und kleine Hörstücke darstellen, in denen der Autor mit seinen Figuren konfrontiert wird.

www.achim-koch.eu






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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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