Hannerl und Franzi lesen Zeitung

Thyra Thorn  für #kkl38 „Momentum“




Hannerl und Franzi lesen Zeitung

Modernes Bauen

Franzi: „Jetzt ist es soweit. Wir müssen uns eine neue Bleibe suchen!“

Hannerl: „Was? Warum? Unser Haus ist doch schön. Ich wohne hier sehr gern.

Franzi: „Unser Haus ist zu alt.“

Hannerl: „Das Haus ist jünger als wir und – wenn ich an meine Arthrose denke – auch viel besser in Schuss.“

Franzi: „Das nützt nichts.“

Hannerl kommt ins Stottern:  „Ja aber .. die neuen Regenrinnen  und dann das Küchenfenster.“

Franzi: „Hätten wir uns sparen sollen.“

Hannerl: „Wieso ist unser Haus alt? Es ist in den 60ger Jahren erbaut, also nach 1949. Das gilt noch nicht mal als Altbau.“

Franzi: „In Hongkong werden viele Hochhäuser schon nach 30 Jahren abgerissen und durch neue ersetzt.“

Hannerl: „Hongkong ist am anderen Ende der Welt!“

Franzi: „Das ist ein weltweiter Trend. Bei uns werden zum Beispiel viele Supermärkte abgerissen und durch neue ersetzt, obwohl sie noch gut sind. Zumindest werden sie ’nach 10 bis 20 Jahren von Grund auf erneuert.., um ein modernes Einkaufserlebnis zu bieten’“1.

Hannerl: „Und du willst jetzt ein modernes Wohnerlebnis?“

Franzi: „Genau.“

Hannerl: „Schau dir doch einfach unsere neuen Dachrinnen an und freue dich, dass sie noch mindestens 20 Jahre halten.“

Franzi: „Der Architekt in diesem Artikel weiß nicht (liest vor) ‚wo die Welt in 20 Jahren steht.‘ Denn alle Gedanken, die er sich heute darüber macht, ’sind am Ende wohl für die Tonne.‘1

Hannerl: „Unsere Regentonne ist ja auch neu.“

Franzi liest weiter: „Eine Chance haben wir noch.“

Hannerl: „Welche?“

Franzi: „Unser Haus besteht im Wesentlichen aus Holz, ist also nachhaltig.“

Hannerl: „Von wegen. Holz darf man nicht mal mehr verfeuern.“

Franzi: „Aber verbauen darf man es und zudem ist unser Haus auch noch ein Fertighaus.“

Hannerl: „Seit Jahrzehnten schauen die Nachbarn in ihren  Betonbunkern deswegen auf uns herunter und verspotten uns.“

Franzi: „Nicht mehr lange. Weil unser Haus aus hölzernen Fertigteilen ist, können wir es nämlich ganz einfach auseinanderbauen und die Teile wiederverwenden.“

Hannerl: „Ja, aber warum?“

Franzi: „Schau Hannerl, das ist nun mal die Zukunft.“ (liest vor) ‚ein Gebäude … muss demontiert werden. Und dann muss überlegt werden, wie aus den Bauteilen ein moderner Markt geschaffen werden kann.‘1 Das Gleiche gilt auch für unser Haus.“


Hannerl: „Aha.“

Franzi: „Wir werden alles ändern: Zum Beispiel unser Wohnzimmer nach Norden verlegen und die Küche dahin, wo jetzt das Wohnzimmer ist. Dein Zimmer kommt ins Erdgeschoss wegen deiner Arthrose, dann musst du nicht mehr Treppensteigen und das Badezimmer kommt gleich in den Keller, falls mal was ausläuft.“

Hannerl: „Den Bügel- und Hauswirtschaftsraum lassen wir weg – so was hat man heute nicht mehr.“

Franzi: „Stattdessen gibt’s einen begehbaren Kleiderschrank.“

Hannerl: „Warum soll ich in meinem Schrank umhergehen?“

Franzi: „Moderne Zeiten! Gewöhn´ dich dran!“


„An Holz als Baustoff führt kein Weg vorbei“ Mittelbayerische Zeitung vom 16.2.24  Interview mit Sebastian Schels von Lorenz Nix






Thyra Thorn ist Ethnologin (M.A.), bildende Künstlerin  und Autorin, seit 2016 Mitglied im deutschen Schriftstellerverband. Sie schreibt für österreichische, deutsche und schweizerische Literaturzeitschriften und Kulturjournale. Ihr Roman: „Luxus?“ ist im April 2022 im PänK Verlag herausgekommen.

Ihr aktuelles Buch “ Drei!“, mit Zeichnungen von Edgar Piel ist ebenfalls im Pänk Verlag erschienen






Über #kkl HIER

Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

Hinterlasse einen Kommentar