Tag der Wahrheit

Stefanie Bräunig für #kkl38 „Momentum“




Tag der Wahrheit

Habe Musik von Jean Michel Jarre auf meinen Ohren, die mich an schwarze Löcher und das große, weite Universum erinnern. 

Ich blicke in die dunkle Tunnelröhre und meine Fantasie geht mal wieder mit mir durch, denn….. was sehe ich da…?! Also hören tue ich in der Ferne das Quietschen und Kreischen der U-Bahn. Die Nächste ist meine. 

Plötzlich schießt ein Lichtball raketenartig aus dem Tunnel auf mich zu.

Fliegende Funken sprühen durch Raum und Zeit. Ich frage mich, wie alt es wohl ist, dieses Licht, welches nun gerade auf meinen Augapfel trifft. Und wo es herkommt….

Direkt vor (oder in?!) meinen Augen dreht es sich tausende Male um die eigene Achse und zerspringt dann schließlich in mir zu kleinsten Fragmenten. 

Bringt mir Bildfetzen und Buchstaben, hm….nein…eher Zeichen… herbei. 

Sind diese Lichtblitze etwa Hinweise von fremden Planeten? Möchte da jemand Kontakt mit mir aufnehmen? Oder ist es einfach das Licht der nun in den Bahnhof einfahrenden U-Bahn? Ich bin verwundert und leicht irritiert.

Dann schüttle ich mich, lächle und wundere mich im nächsten Moment gar nicht mehr…. denn genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um mir einzugestehen, dass ich die Welt einfach etwas anders wahrnehme als andere Menschen.




Sonnenuntergang im Winter

Die Luft ist klar und kalt. Letzte Sonnenstrahlen überziehen die Landschaft mit einem weichen Licht, bevor die Nacht über diesen Teil der Erde hereinbricht. 

Ich beobachte den winterlichen Sonnenuntergang vom Balkonfenster aus. Eine tiefe Ruhe erfüllt mich. Ich höre Musik, betrachte die Lichterkette auf meinem Balkon und wärme mich innerlich und äußerlich mit einer Tasse Tee.

Eine tiefe Geborgenheit umhüllt mich. In mir selbst. In meinem Leben. 

Einen Moment später erinnere ich mich an meinen Opa. Als Kind habe ich mich häufig darüber gewundert, dass er minutenlang einfach still da sitzen konnte und irgend etwas betrachtete. Damals fand ich das so enorm langweilig. Warum tat er denn nichts? Wonach schaute er? Was sah er? Und warum lächelte er dabei? Es passierte doch gar nichts! 

Nun überfällt mich ein leichtes Lächeln und ich schaue in den Himmel. Mein Herz wird so unendlich weit und ich spüre eine so starke Verbundenheit zu meinem Opa, als säße er direkt neben mir. Ja, mein Opa scheint da zu sein und lächelt mit mir. Und nun wird es mir bewusst: 

Er hat sie schon damals gesehen, diese Wunder der Natur. Die, die ich jetzt auch immer häufiger wahrnehme. Was sah er im Regenbogen? Was sah er, wenn er einfach hinaus in die Dunkelheit schaute?

Ich schiebe die Erinnerungen an ihn zur Seite. Schaue aus dem Fenster. 

Das letzte Licht des Tages vergeht. In Nachbars Garten sehe ich noch die Umrisse dieser riesengroßen Kiefer. Ich betrachte sie einen Moment genauer:

Sie strahlt, sie leuchtet! Nein, sie wird nicht angestrahlt, sie strahlt aus sich selbst heraus! 

Welch Glücksgefühl mich flutet, welch Dankbarkeit mich erfüllt über dieses Schauspiel der Natur.

Was würde ich darum geben, wenn ich mich hier mit meinem Opa austauschen könnte. Ihm sagen könnte, dass ich sie nun auch wahrnehme, diese Wunder, und dass ich ihn nun mit völlig anderen Augen sehe. Ach, Opa! 

Mein Opa tippt mir auf die Schulter, schmunzelt, nickt wissend, und einen Moment später ist er im Winterhimmel verschwunden. 





Stefanie Bräunig, geboren 1973, schreibt seit einigen Jahren. Ihre Texte fallen manchmal direkt vom Himmel und begegnen ihr gerne in der Musik oder der Natur. Sie veröffentlicht diese in verschiedenen Anthologien. 2023 ist ihr erstes Buch „Juli und der Zauberbaum“ erschienen, in Kürze folgt der Gedichtband „Das Strahlen in Dir“. 

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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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