Astrid Kohlmeier für #kkl20 „beingungslos“
Das Geschenk
Ich erinnere es längst nicht mehr
Und doch war ich einst Teil von dir
Du hast geduldig darauf gewartet
Mich endlich glücklich zu sehen
Aber die Hoffnung nie aufgegeben
Du kennst mich und all meine Makel
Und weichst mir doch nicht von der Seite
Du weißt von meiner Finsternis
Aber verbirgst deinen eigenen See aus Tränen
Sodass ich nicht darin ertrinken kann
Du spürst mich immerzu
Sogar wenn ich nicht in der Nähe bin
Deine Zuneigung ist bedingungslos
Und deine Anwesenheit fordert nichts
Obgleich ich dir wiederum alles schulde
In deiner Gegenwart bin ich nichts als ich selbst
Und das ist dein wohl größtes Geschenk
Was du wissen solltest
Du solltest wissen, dass ich dich bei mir trage wohin ich auch gehe
Du solltest wissen, dass ich von dir erzähle und dabei nicht mehr weine
Du solltest wissen, dass ich von Zeit zu Zeit ein Gedicht für dich schreibe
Du solltest wissen, dass es schon lange nichts mehr zu verzeihen gibt
Du solltest wissen, dass du mich gelehrt hast, was von Bedeutung ist
Du solltest wissen, dass ich nun all die Dinge tue, die du so geliebt hast
Du solltest wissen, dass ich jeden Tag aufs Neue für dich glücklich bin
Du solltest wissen, dass deine Lebenslust längst die meine geworden ist
Du solltest wissen, dass du schließlich und endlich stolz auf mich wärst
Du solltest wissen, dass ich deinetwegen ein wenig weiser geworden bin
Und dass ich die Zeit mit meinen Liebsten nie wieder ungenutzt verstreichen lasse
All das solltest du wissen und all das wirst du niemals wissen
Denn ich glaube seit langem nicht mehr an diesen einzigen Himmel
Trotz alldem erzähle ich es dir immer wieder, sobald ich allein mit mir bin
Und du ganz nah
Das Kind
Ich habe nie ein Kind geboren
Und möchte keines gebären
Ich verstehe es nicht – dieses Muttersein
Ich möchte nur frei sein
Und wünsche mir nichts anderes
Als dass mir allein mein Leben gehört
Und dennoch staune ich Tag für Tag über dich
Die du mir zeigst, dass es keine größere Liebe gibt
Als die einer Mutter zu ihrem Kind
Unsere Freundschaft
Du sagst, wir seien wie Bruder und Schwester
Dabei waren wir vor ewigen Zeiten ein Paar
Du sagst, du seist nun in eine Andere verliebt
Dabei packt mich die Angst dich zu verlieren
Du sagst, es sei natürlich längst vorbei mit uns
Dabei spüre ich deine Gegenwart mehr denn je
Du sagst, ich solle mit Wünschen vorsichtig sein
Dabei wünsche ich ja nur, dass du glücklich bist
Wie eine Schwester es für ihren Bruder ersehnt
Astrid Kohlmeier, 1983 in Graz (Österreich) geboren, studierte Germanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz. Sie schreibt Lyrik, Prosa und Theatertexte (Per H. Lauke Verlag Hamburg) und erhielt 2012 das Österreichische Staatsstipendium für Literatur. Ihre Texte wurden in Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht und ihre Theaterstücke wurden in Deutschland, der Schweiz und Luxemburg aufgeführt. Astrid Kohlmeier lebt und arbeitet in Graz.
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