Freisein im Digitalen …!?

Dr. Andreas Lukas für #kkl16 „Der freie Wille“




Freisein im Digitalen …!?


Wärme von Sonnenstrahlen auf der Haut,

ich erinnere mich nicht mehr.

Nähe und direkter Austausch,

ich erinnere mich nicht mehr.

Echte Gefühle und Liebe,

ich erinnere mich nicht mehr.

Stille eines Ortes, Schönheit des Moments,

Ich erinnere mich nicht mehr.


Oh, ich leb in meiner digitalen Welt,

alles in Zeichen und Zahlen gestellt.

Realität und Licht schmelzen dahin,

es ist mir einerlei wohin.

Oh, ich kann es nicht fassen,

das digitale Sein nicht lassen,

bin damit nicht wirklich präsent,

Hauptsache hab einen Event.


Ich lebe online phänomenal,

bin gar nicht da, bin doppelt da,

bin zur gleichen Zeit überall da,

bin nie allein im World Wild Web,

geblendet vom blau flimmernden Licht,

brauche ich echte Kontakte nicht,

bin an viele Orte gebeamt,

photoshopgestyled und onlineflatgescreent.


Freisein im Digitalen …!?

Oh, was kann ich alles digital,

plaudere immer mitteilsam,

keinen Anspruch auf einfühlsam,

schleudere tausend Worte in den Wind,

größter Unsinn, er muss raus geschwind,

Parolen mit belangloser Ladung,

hab von allem nur eine vage Ahnung,

ob jemand danach fragt, egal.


Ich irre im Netz umher,

bin völlig ungebunden,

fühle mich unendlich frei,

hab keinen echten Moment,

hab immer die Zeit verklemmt,

Beisammensein ist mir einerlei,

bin der realen Welt entschwunden,

spür mich selbst nicht mehr.


Oh, was kann ich nicht alles sagen,

direkt und ohne zu fragen,

bin gleich überall zu haben,

kann mich nicht genug dran laben,

alles erscheint so leicht,

interessiert jemanden – vielleicht.


Im falschen Licht zerfließt,

was still in der Realität sprießt,

bin an Digitalis verloren,

hab es zu meiner Liebe erkoren,

folge der Verführung ins Irreal,

Hauptsache bin digital.


Oh, ich leb in Netzen phänomenal,

hab für den Rausch der Schnelligkeit votiert,

meine Kompassnadel rotiert,

die Kraft des Lichts verdrängt,

kann den Norden nicht mehr finden,

Hoffnungen unaufhaltsam schwinden.


Plötzlich fühl ich mich allein,

hab nirgends ein Daheim,

Einstweh macht sich breit,

schreit in die Dunkelheit,

namenlos an unzählige Orte gebeamt,

verdammt zu onlineflatgescreent.


Hab echte Ansätze verloren,

meine Suche im Irreal

führt mich ins Nichts,

hetze durch die Kanäle

und lechze nach Nähe,

die ich so lange von mir wies.


Irgendwann werden wir aufwachen,

uns ungläubig die Augen reiben,

erdrückt von etwas Unsichtbarem.

Wir werden fragen,

wo der Mensch geblieben ist,

den wir bis dahin kannten.







Dr. Andreas Lukas, aufgewachsen im Saarland nahe der französischen Grenze, lebt in Wiesbaden.

Er ist tätig als Autor und freier Journalist und Mitglied der „Gruppe 48“. Sein zweiter Roman „Die ungleichen Gleichen“, Begegnung zweier junger Menschen, sie auf dem Lande aufgewachsen, er Flüchtling, führte ihn mit dem „Pianist aus den Trümmern“ Aeham Ahmad zusammen. Daraus entstand das Buch „TAXI DAMASKUS – Geschichten, Begegnungen, Hoffnungen“, erschienen 2021.

Andreas Lukas erreichte bei den Planet Awards 2019 Platz 4 bei „Künstler des Jahres“, Platz 5 bei „Autor des Jahres“ und Platz 6 bei „Buch des Jahres“. Zum Berliner Literaturpreis „Wortrandale 2019“ war er für den Radio-Sonderpreis nominiert. Bei „Literatur zwischen den Jahren 21/22“ von radio889fmkultur erreichte er die „Best of …“. Zur „Literatur des Monats“ von radio889fmkultur hat er die Favoritenliste April 2022 erreicht.

Publikationen:

  • Gemeinsam eins! Together one!, CD-Album – Ideen, Gedanken und Menschen mit Akkorden, Tönen, Liedern und Worten zusammenführen, hrsg. von Aeham Ahmad u. Andreas Lukas (s. Gedicht auf Seite 61)
  • Aeham Ahmad/Andreas Lukas: TAXI DAMASKUS – Geschichten, Begegnungen, Hoffnungen, 2021
  • Andreas Lukas: Die ungleichen Gleichen, Roman, 2018
  • Andreas Lukas: Nie mit, aber auch nicht ohne, Roman, 2017

Kontakt für Lesungen, Auftritte oder Bestellungen: dr_lukas@t-online.de

Web-Seite: www.andreas-lukas.eu

Interview mit Dr. Andreas Lukas, hier.





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Veröffentlicht von Jens Faber-Neuling

Redakteur von #kkl Kunst-Kultur-Literatur Magazin und ZeitenGeist Magazin, Autor, Trainer und Coach im Bereich Bewusstseinserweiterung, glücklicher Papa und Ehemann.

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